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Schritt für Schritt geschützt

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Das Wichtigste im Überblick

  • Sicherheitsschuhe müssen in vielen Betrieben getragen werden. Warum, erklärt der Sicherheitsingenieur und BGHW-Experte Dr. Christoph Wetzel.
  • Die Schutzfunktionen des Schuhs müssen den Gefährdungen am Arbeitsplatz entsprechen.
  • Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden motiviert, Sicherheitsschuhe zu tragen, wenn sie sehen, dass auch ihreVorgesetzten sie konsequent nutzen.
  • Orthopädische Anpassungen und Einlagen sind ein bedeutender Aspekt bei Sicherheitsschuhen. Sie müssen von einem orthopädischen Schuhmacher individuell an die Bedürfnisse der Träger angepasst werden.
  • Acht Tipps, die bei der Auswahlvon Sicherheitsschuhen beachtet werden sollten.
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Das Tragen von Sicherheitsschuhen ist in vielen Betrieben Pflicht – warum eigentlich? Wenn es um Sicherheitsschuhe geht, müssen viele Dinge beachtet werden – besonders bei der Auswahl des richtigen Schuhs. Worauf es dabei ankommt, weiß der Sicherheitsingenieur und BGHW-Experte Dr. Christoph Wetzel.

Dr. Christoph Wetzel, Sicherheitsingenieur und BGHW-Experte

Herr Dr. Wetzel, gibt es eine eigentlich eine gesetzliche Pflicht für Beschäftigte, Sicherheitsschuhe zu tragen?

Grundsätzlich gibt es keine pauschale gesetzliche Pflicht, die allen Beschäftigten vorschreibt, bei der Arbeit Sicherheitsschuhe tragen zu müssen. Der Schlüssel, um das festzustellen, ist eine gründliche Gefährdungsbeurteilung. Dabei werden mögliche Gefahren am Arbeitsplatz identifiziert und Maßnahmen zur Gefahrenreduzierung festgelegt. Wenn bei bestimmten Tätigkeiten, trotz technischer und organisatorischer Maßnahmen, noch ein Risiko für die Sicherheit der Beschäftigten besteht, dann sind Arbeitgeberin oder Arbeitgeber verpflichtet, eine Persönliche Schutzausrüstung (PSA) bereitzustellen. Wenn Sicherheitsschuhe also nötig sind, dann sind sie auch zu tragen.

In welchen Branchen ist das Tragen von Sicherheitsschuhen besonders wichtig?

Zum Beispiel in Logistik und Handel. Dort gibt es oft Situationen, in denen Gegenstände herunterfallen, Glasscherben auf dem Boden liegen und andere Verletzungsrisiken bestehen. Und die Beschäftigten in dieser Branche heben häufig schwere Gegenstände oder arbeiten mit Flurförderzeugen. Da sind Sicherheitsschuhe ein Muss.

Welche Schutzfunktionen erfüllt ein Sicherheitsschuh?

Sicherheitsschuh ist nicht gleich Sicherheitsschuh. Nicht alle haben automatisch die gleichen Eigenschaften. Die Grundanforderungen erfüllen aber alle Sicherheitsschuhe. Dazu gehört beispielsweise die Zehenschutzkappe als Schutz gegen herabfallende Gegenstände sowie ein Mindestmaß an Rutschhemmung, Anforderungen an die Materialien wie Biegeverhalten, Reißfestigkeit, Abriebwiderstand usw. Dann gibt es Zusatzanforderungen. Zum Beispiel: Widerstand gegen Durchtritt, geschlossener Fersenbereich, Antistatik, Schutz vor Wasseraufnahme oder -durchtritt, Chemikalienbeständigkeit, den Schutz gegen Hitze oder Kälte und noch viele weitere. Es gibt also viele verschiedene Modelle, je nachdem, ob und welche Zusatzanforderungen der Schuh erfüllt.

Eine Übersicht: Was können die einzelnen Sicherheitsklassen?

Deswegen ist die Auswahl auch so wichtig?

Ja, genau! Die Schutzfunktionen des Schuhs müssen eben den Gefährdungen am Arbeitsplatz entsprechen. Um das etwas leichter zu machen, hat man typische Kombinationen von Zusatzanforderungen in Schutzklassen eingeteilt, wie zum Beispiel S1, S2 oder S3.

Was bedeuten die verschiedenen Schutzklassen?

Die Schutzklassen geben an, welche Zusatzanforderungen kombiniert in einem Sicherheitsschuh eingebaut sind. Die Schutzklasse S1 steht beispielsweise für einen Schuh mit geschlossenem Fersenbereich und antistatischer Eigenschaft. Er ist gut geeignet für Arbeiten, die drinnen stattfinden, wie im Einzelhandel oder in Logistikzentren. Für Arbeiten draußen, beispielsweise im Stahl- oder Baustoffhandel, sind eher S2-Schuhe empfehlenswert, weil sie zusätzlich einen Widerstand gegen Wasserdurchtritt haben. Schließlich gibt es die S3-Schuhe mit Widerstand gegen Durchtritt und einer profilierten Laufsohle zusätzlich zu den Anforderungen der S2-Schuhe. Sie werden in Branchen wie dem Schrotthandel oder der Glasverarbeitung benötigt. Diese Klassen helfen Beschäftigten und Unternehmen dabei, den passenden Schuh für die jeweilige Situation zu wählen. Auch wenn wir für den Regelfall etwas empfehlen können, entscheidet letztlich die Gefährdungsbeurteilung über die Auswahl.

Was gibt es noch zu beachten? 

Bei der Rutschhemmung ist es etwas spezieller, ein Sicherheitsschuh erfüllt ein Mindestmaß an Rutschhemmung, es kann aber sein, dass je nach Arbeitsbereich mit dem verlegten Boden und den dort auftretenden Stoffen die Materialkombinationen nicht miteinander harmonieren. Auch bei Schuhen gibt es unterschiedliche Rutschhemmungen. Ich vergleiche das gerne mit Autoreifen, die auch unterschiedliche Eigenschaften haben, die einen sind bei trockener Fahrbahn sehr gut, andere bei Regen und wieder andere bei Schnee oder Eis. Bei Autoreifen wählt man ja auch den passenden „Schuh für das Auto“ beispielsweise bei Sommer- und Winterreifen. Manchmal hat man das Gefühle, dass Fußboden und Schuh nicht so gut miteinander funktionieren. Es ist ein komplexes System mit vielen Einflussfaktoren. Daher kann ich nur empfehlen, in diesen Fällen mal verschiedene Modelle auszuprobieren.

 

Optik und Passformen der Sicherheitsschuhe haben sich in den vergangenen Jahren stark verbessert.

Viele Beschäftigte tragen ihre Sicherheitsschuhe ungern. Woran liegt das?

Ist das wirklich noch so? Der Ruf von Sicherheitsschuhen war lange nicht der beste, sie galten als klobig, nicht richtig passend, und man fand sie auch nicht schön. Einige Beschäftigte ärgerten sich vielleicht über die Pflicht, Sicherheitsschuhe zu tragen. Auf dem Schuhmarkt hat sich in den letzen Jahren aber sehr viel getan. Optik und Passformen sind stark verbessert. Es gibt Sicherheitsschuhe, die sich kaum noch von Freizeitschuhen unterscheiden. Im Laufe der Zeit erkennen auch die meisten Beschäftigten, dass ihre Schuhe tatsächlich helfen, Fußverletzungen zu reduzieren. Beides fördert die Akzeptanz.

Wie kann man Mitarbeitende motivieren, Sicherheitsschuhe regelmäßig zu tragen? Ist das Vorbild durch die Vorgesetzten entscheidend?

Absolut! Die Vorbildfunktion der Führungskräfte ist von großer Bedeutung. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden eher dazu motiviert, Sicherheitsschuhe zu tragen, wenn sie sehen, dass auch ihre Vorgesetzten sie konsequent nutzen. Es ist auch sinnvoll, die Beschäftigten in die Auswahl der Schuhe einzubeziehen. Wenn sie die Möglichkeit haben, das Modell mitzubestimmen, fühlen sie sich ernst genommen, und das motiviert sie, die Schuhe zu tragen.

Müssen Beschäftigte in das Thema Sicherheitsschuhe eingewiesen werden?

Ja, müssen sie. Wie für jede PSA schreibt die PSA-Benutzungsverordnung vor, dass die Beschäftigten zu der PSA unterwiesen werden müssen. Das kann im Rahmen einer allgemeinen Unterweisung geschehen, aber auch in einer speziellen. Die Mitarbeitenden sollten verstehen, warum sie die Schuhe tragen müssen und wie sie diese korrekt nutzen. Auch das Thema Veränderung einer PSA sollte angesprochen werden, zum Beispiel darf man nicht einfach die Einlagen austauschen, da diese die Schutzfunktionen der Schuhe beeinflussen können.

Können Beschäftigte denn nicht ihre eigenen Einlagen verwenden? Und wenn sie orthopädische Einlagen tragen müssen?

Genau, Beschäftigte dürfen nicht die Einlagen austauschen, auch nicht, wenn sie orthopädische Einlagen haben. Es kann die Schutzfunktionen der Sicherheitsschuhe beeinträchtigen, beispielsweise kann sich die Leitfähigkeit oder Isolation ändern, oder zu einem zu hohen Aufbau im Schuh führen. Wenn die Zehenkappe einen Schlag abbekommt, dann drückt sie sich in den Schuh und eine Mindesthöhe muss gegeben sein. Ist die Einlegesohle zu hoch, kann eine Verletzung durch den Schuh entstehen, wobei er ja genau davor schützen soll. Und wenn man orthopädische Einlagen braucht, müssen welche verwendet werden, die für das Schuhmodell zugelassen sind.

Die Sicherheitsschuhe und Einlagen müssen also orthopädisch an die Nutzenden angepasst werden?

Genau! Orthopädische Anpassungen und Einlagen sind ein bedeutender Aspekt bei Sicherheitsschuhen. Sie müssen von einem orthopädischen Schuhmacher individuell an die Bedürfnisse der Träger angepasst werden. Dazu gibt es meist Baukastensysteme mit denen aus handelsüblichen Sicherheitsschuhen individuell angepasste Schuhe gemacht werden können, beispielsweise können durch Sohlenerhöhungen unterschiedlich lange Beine ausgeglichen werden. Diese Anpassungen gewährleisten, dass die Sicherheitsschuhe effektiv ihre Schutzfunktion erfüllen. Es ist einfach wichtig zu betonen, dass private Anpassungen oder Veränderungen an Sicherheitsschuhen nicht gestattet sind, da dies die Schutzfunktion beeinträchtigen kann.

Diese Anpassungen sind teuer. Wer trägt die Kosten?

Die Kosten für orthopädische Anpassungen und Einlagen in Sicherheitsschuhen können von verschiedenen Stellen getragen werden. Wenn jemand einen Arbeitsunfall hatte und anschließend keine normalen Schuhe mehr tragen kann, übernimmt die Berufsgenossenschaft die Kosten für die Schuhe. Die Versicherten haben dann pro Jahr Anspruch auf zwei Paar Straßenschuhe, ein Paar Hausschuhe und ein Paar Sicherheitsschuhe, die ebenfalls individuell angepasst werden müssen.

Gibt es noch andere Kostenträger?

Es gibt noch weitere Kostenträger, in den meisten Fällen ist die Deutsche Rentenversicherung für die Kostenübernahme zuständig, wenn es sich um erworbene oder angeborene Krankheiten handelt, wie beispielsweise einen Senk-Spreizfuß, weil es sich hierbei um keine arbeitsbedingte Verletzung handelt. Die Maßnahme dient der Rehabilitation und unterstützt den Beschäftigten dabei, so lange wie möglich zu arbeiten.

Was ist bei orthopädischen Einlagen in Sicherheitsschuhen zu beachten?

Das DGUV-Fachgebiet Fußschutz beantwortet in der Broschüre "Orthopädischer Fußschutz" die wichtigsten Fragen zum orthopädischen Fußschutz. Zum Beispiel: Wie ist die Kostenübernahme geregelt? Hier die Broschüre zum Download!

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Wie sollten Unternehmen die Ausgabe von Sicherheitsschuhen organisieren?

Das kann je nach Unternehmensgröße und Anforderungen sehr unterschiedlich sein. In größeren Unternehmen kann es sinnvoll sein, eine Person zu benennen, die sich um die Beschaffung, Ausgabe und Kontrolle der Sicherheitsschuhe kümmert. Dabei sollten die individuellen Bedürfnisse der Beschäftigten berücksichtigt werden, zum Beispiel orthopädische Anpassungen. Auch die Einbindung des Betriebsrats sowie der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Auswahl kann die Akzeptanz fördern.

Wie lange halten Sicherheitsschuhe?

Die Lebensdauer von Sicherheitsschuhen kann stark variieren. Sie hängt von der Qualität der Schuhe ab, und besonders davon, wie oft die Schuhe getragen, in welcher Umgebung, und wie sie gepflegt werden. Beschäftigte, die die Schuhe nur gelegentlich tragen, können mit einer längeren Haltbarkeit rechnen, vielleicht bis zu einigen Jahren. Im Gegensatz dazu können Schuhe von Beschäftigten in der Produktion bereits nach einigen Monaten verschlissen sein. Die Beanspruchung spielt eine entscheidende Rolle.

Müssen Sicherheitsschuhe gepflegt werden?

Die Pflege von Sicherheitsschuhen ist wichtig, um sicherzustellen, dass sie ihre Schutzfunktionen weiterhin erfüllen. Beschädigungen wie gerissenes Leder, Veränderungen im Tragekomfort, Schmerzen beim Tragen oder abgelaufene Sohlen sind ein Anzeichen dafür, die Schuhe auszutauschen.

Und wie kann man eine Fälschung vom Original unterscheiden?

Es ist ratsam, auf seriöse Hersteller und Verkäufer zu achten. Originalprodukte tragen beispielsweise eine CE-Kennzeichnung. Außerdem sollte man auf Produktbeschreibungen und Informationen zu den Schutzklassen achten. Im Zweifelsfall wendet man sich an Fachleute wie die Fachkraft für Arbeitssicherheit, um sicherzustellen, dass man ein Originalprodukt erhält.

Haben Sie noch einen Tipp?

Bei Sicherheitsschuhen ist es wichtig, dass sie die richtige Passform und Größe haben. Deswegen sollten die Schuhe am Nachmittag anprobiert werden, wenn die Füße etwas dicker sind. Denn der Sicherheitsschuh sollte wie maßgeschneidert sitzen. [sie]

Welcher Schuh ist der richtige? Acht Tipps, die bei der Auswahl beachtet werden sollten

  • Sicherheit geht vor: Achten Sie auf das CE-Kennzeichen und die ISO-Norm 20345:2022 oder 20345:2012. Die Schutzklassen (z.B. S1, S2, S3) zeigen Ihnen, was der Schuh alles kann. Kaufen Sie keine Sicherheitsschuhe ohne CE-Zeichen und ISO-Norm!
  • Bequem ist Trumpf: Der Schuh sollte wie angegossen passen. Zu eng oder zu locker ist schlecht für Ihre Füße und Ihre Arbeit.
     
  • Breit denken: Jeder Fuß ist anders. Die Schuhe sollten die richtige Länge und Weite haben. Zu lang oder zu kurz kann zu Unfällen oder Beschwerden führen.
     
  • Material mit Köpfchen: Der Schuh sollte zur Arbeitsumgebung passen. Atmungsaktive Materialien (Leder,  Textil oder synthetische Obermaterialien) halten Ihre Füße frisch, wasserdichte schützen vor Nässe, robuste vor Verschleiß.
     
  • Zehen in Sicherheit: Schützen Sie Ihre Zehen vor herabfallenden Gegenständen mit einer Zehenschutzkappe aus Stahl oder anderen Materialien. Der Schuh sollte genug Platz für Ihre Zehen bieten.
     
  • Sicherer Stand: Eine stoßdämpfende Sohle schont die Gelenke und verleiht einen sicheren Stand.
     
  • Keine Funkenflüge: In Bereichen mit elektrostatischen Aufladungen brauchen Sie ESD-zertifizierte Schuhe. Sie verhindern Funkenflüge und schützen die Elektronik von Geräten und Maschinen.
     
  • Wer zahlt? Sicherheitsschuhe sind Teil der Persönlichen Schutzausrüstung (PSA), die Arbeitgeberin oder Arbeitgeber zur Verfügung stellen müssen. Informieren Sie sich vor dem Kauf eines individuellen Sicherheitsschuhs über die Kostenübernahme und den Beschaffungsprozess.
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